The Grady Twins (The Shining) © Stanley Kubrick
Von Oliver Ruhm
03. Mai 2023

Redundante Kodierung im Design

Oliver Ruhm
Oliver Ruhm, Zeughaus Design © Patricia Keckeis
Das Gesagte herzuzeigen, das Gezeigte zu benennen, ist das Tor zu einer eintönigen, drögen und banalen Sphäre. Redundante Kodierung im Design halte ich für ein zweischneidiges Schwert.
Kurz gesagt geht die „Duale Kodierungstheorie“ davon aus, dass das verbale und das visuelle Wahrnehmungssystem des Menschen trotz unterschiedlichem Aufbau und Standort gekoppelt sind. Lese ich „Haus“, dann sehe ich vor meinem inneren Auge eines, vice versa. Verbale Kodes (Logogens) werden gelesen oder gehört, während visuelle Kodes (Imagens) bildlich erfasst werden. Bildhafte Wörter, also solche, unter denen man sich etwas vorstellen kann, werden leichter gemerkt. Abstrakte Begriffe, die kein konkretes Bild hervorrufen, merken wir uns schlechter. So weit, so gut.
Im Design werden wir von redundanten Kodierungen überrollt. Neben dem Bild eines Apfels stand früher Apple. Das Unternehmen brauchte zwanzig Jahre, um sich nur auf das Bildzeichen zu konzentrieren und die beistehende Wortmarke zu eliminieren. Also nicht mehr Apple Apple. Oder Apfel Apple. Nur noch Apfel. Oder eben Apple. Oder りんご.
Die redundante Kodierung kann nicht ungelernt werden. Ich warne vor folgenden Zeilen, die Ihr Leben (oder zumindest Ihre Wahrnehmung) verändern können.
Die Gastronomie ist eine wahre Fundgrube redundanter Kodierung im Kommunikationsdesign. Warum ist auf meinem Salatteller beim Italiener Mozzarella, Tomate und Basilikum AUFGEDRUCKT? Darauf platziert das echte Ding, klarer Fall, redundante Kodierung. Warum hängen Bilder von Hamburgern im Burgershop? Ich hänge ja auch keine Bilder von spielenden Kindern ins Kinderzimmer. Wobei, wer weiß.
Oder das Plakat vom Sommerfestival. Was kommt rauf? Ein Sommerbild, Aufblasflamingo, Flipflops. Logisch, oder? Jedes Mal, wenn Gestalter:innen aus Verlegenheit um eine Idee redundant kodieren, lassen sie eine Chance für kreative Kommunikation sausen. Aus einem spannenden visuellen Beitrag zum Thema wird eine sinnlose visuelle Rezitierung.
Mein Lieblingsbeispiel für redundante Kodierung im Produktdesign ist die Marke Gloryfy aus dem Tirol. Die machen Sonnenbrillen und das zweite Ypsilon im Namen sei ihnen vergeben. Das Bildzeichen der Firma ist – Überraschung – eine Sonnenbrille. Geile Idee, na klar, was sonst?! Lustig wird es dann, wenn jede einzelne Gloryfy Sonnenbrille eine kleine Sonnenbrille aufgedruckt hat, was bei den Kolleginnen und Kollegen so praktiziert wird. Keine weiteren Fragen, euer Ehren: redundante Kodierung! Schöne Grüße, falls ihr das lest, und nichts für Ungut.
Ist Banalität per se schlecht? Oder sind wir als Gestalter:innen übersensibel? Wenn Kreativität bedeutet, zwei Dinge zu einem neuen zu verbinden, dann ist die redundante Kodierung die Antithese davon. Den Ausdruck „redundante Kodierung“ hab ich mir übrigens ausgedacht. Und ganz blicke ich da selbst nicht durch. Man könnte auch sagen, ich seh da irgendwie doppelt.
P.S.: Die Definition der dualen Kodierung stammt von der Website spektrum.de

Zeughaus Design GmbH
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